Eine Bestandesaufnahme zur frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung, die im Auftrag der Jacobs Foundation durchgeführt wurde, stellt den Wissensstand in der Schweiz in diesem Themenfeld dar. Der Bericht kommt unter anderem zum Schluss, dass es weiterhin an schweizweiten statistischen Daten mangelt, um evidenzbasierte Aussagen zu treffen und damit die Grundlage für eine umfassende und fundierte Politik der Frühen Kindheit zu legen.
Mit der im Mai 2017 publizierten Bestandsaufnahme wurde insbesondere ermittelt, zu welchen Themen und Fragestellungen im Bereich der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) bislang bereits wissenschaftlich gesichertes Wissen vorliegt und in welcher Hinsicht nach wie vor Forschungsbedarf besteht. Der Bericht evaluierte unter anderem, in welchem Mass die folgenden von der Auftraggeberin formulierten Thesen zutreffen:
- Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist schwierig. Dies trifft besonders für Mittelschichtfamilien zu.
- Der Zugang zu FBBE-Angeboten ist vor allem für benachteiligte Familien schwierig.
- Es besteht ein Qualitätsdefizit in Kitas, da die Kompetenzen des FBBE-Personals niedrig sowie die Arbeitsbedingungen und der Lohn von Kita-Personal schlecht sind.
- Die Politik setzt auf Bürokratieabbau statt auf Qualitätsförderung.
- Hauptprobleme, die von der Politik aufgenommen werden, sind Möglichkeit und Dauer des Eltern-/ Vaterschaftsurlaubs sowie die finanzielle Belastung der Familien bei Krippenbesuch/Vereinbarkeit von Familie und Beruf/Frauen im Arbeitsmarkt.
- FBBE wird noch nicht ganzheitlich gesehen; es gibt nur punktuell systemische Ansätze, die es noch nicht auf die Policy-Ebene geschafft haben.
- Die Wirtschaft ist im FBBE-Bereich wenig aktiv (z.B. Arbeitgeber-Krippen, Arbeitszeitmodelle, Public-Private Partnerships).
Mangelhafte Datenlage
Der Bericht konkludiert, dass sich viele dieser vorab erwogenen Thesen begrenzt bejahen lassen. Es fehlt aber an solider Evidenz, um dazu definitive Aussagen zu machen. Vor allem fehlt es an Forschungsinfrastruktur und schweizweiten statistischen Daten, um ein ganzheitliches Verständnis der Sachlage zu haben und entsprechende Einschätzungen und Empfehlungen ableiten zu können.
Bezüglich der weiteren Forschungsagenda stellen die Autoren der Studie fest, dass die Aus- und Weiterbildung der Fachpersonen bislang der möglicherweise am wenigsten erforschte Bereich in der schweizerischen FBBE ist. Neben den punktuellen Bedarfsabklärungen ist eine Dauerbeobachtung der Professionalisierung und Beschäftigung im FBBE-Bereich wichtig. Auch an Studien, die danach fragen, wie sich unterschiedliche Qualifikationsprofile der Fachpersonen auf die Qualität des Bildungs- und Betreuungsalltags in Einrichtungen der FBBE auswirken, fehlt es.
Ausgewählte Literatur zur familienergänzenden Kinderbetreuung in der Schweiz
Einzelne öffentliche respektive private Forschungsinstitute (PH Thurgau, MMI, Universitäten Freiburg, Zürich, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois), Stiftungen (Jacobs Foundation) und Verbände (kibesuisse, vpod) beschäftigen sich mit Qualitäts- und anderen Fragen der familienergänzenden Kinderbetreuung:
Hintergrund
Die Bestandsaufnahme durch die Jacobs Foundation ist Teil einer Advocacy-Strategie, welche auf wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen aufbauen und zur Weiterentwicklung und Professionalisierung der FBBE in der Schweiz beitragen soll. Alle föderalen Ebenen sollen von der Notwendigkeit und dem Nutzen einer "Politik der frühen Kindheit" überzeugt werden, die als eine bereichs- und institutionenübergreifende Querschnittspolitik ausgestaltet sein soll und die Politikfelder Bildung, Gesundheit und Soziales miteinander verbindet. Das Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz setzt sich als Koalitionspartner der Ready!-Kampagne der Jacobs Foundation für mehr Qualität in der Frühen Kindheit auf kantonaler und kommunaler Ebene ein.
Die Studie wurde im Auftrag der Jacobs Foundation durch Wissenschaftler des Centre interfacultaire en droits de l’enfant der Universität Genf und des Zentrums für Frühkindliche Bildung Fribourg erstellt.
Medienbericht:
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