Der Bundesrat hat am 20. Juni 2018 den ersten Länderbericht der Schweiz zur Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Diese Bestandsaufnahme, die auch auf Konsultationen der Zivilgesellschaft beruht, zeigt, dass die Schweiz einige der Ziele für nachhaltige Entwicklung schon gut in ihren Politiken verankert hat. Bezüglich dem SDG Unterziel 4.2 hält der Länderbericht fest, dass Angebote für familienergänzende Frühförderung in den letzten Jahrzehnten stark ausgebaut worden sind. Es bestünden aber noch Herausforderungen beispielsweise bezüglich der Sicherstellung der Ausbildung von qualifiziertem Fachpersonal und der finanziellen Tragbarkeit der Kinderbetreuung.
Im Sommer 2017 führte der Bund bei VertreterInnen der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und der Wissenschaft sowie den politischen Parteien, den Kantonen und den Gemeinden eine Bestandsaufnahme zur Umsetzung der SDGs durch. An dieser Online Konsultation zur Agenda 2030 beteiligte sich auch das Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz (NKS). Aufgrund der Bestandsaufnahme hat der Bund ein System von 85 Indikatoren erstellt, mit welchen er die Umsetzung der SDGs und der Unterziele der Agenda 2030 beobachten möchte. In den 17 SDGs der UN finden sich insgesamt 169 Unterziele. Die Analyse ergab, dass von den ausgewählten 85 Indikatoren 39 einen positiven Trend, 12 keine signifikante Entwicklung und 14 einen negativen Trend aufweisen, während für 20 keine Beurteilung möglich war.
Bezüglich dem SDG 4 „Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern“ definiert der Bund im Länderbericht 4 Indikatoren. Dazu gehören die Lesefähigkeit der 15-Jährigen, der Anteil der Frauen an Lehrkräften an Hochschulen, die Quote der Erstabschlüsse auf der Sekundarstufe II sowie die Teilnahme an Weiterbildung. Die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung, die in den 169 Unterzielen der UN explizit erwähnt wird (SDG Unterziel 4.2), fehlt im Schweizer Indikatoren-System. Im Länderbericht wird jedoch erwähnt, dass die Schweiz „ihre Angebote für familienergänzende Frühförderung in den letzten Jahrzehnten stark ausgebaut“ hat. Auch auf bestehende Herausforderungen, darunter die Sicherstellung der Ausbildung von qualifiziertem Fachpersonal, die finanzielle Tragbarkeit der Kinderbetreuung, die Erstellung eines nationalen Monitoring- und Reportingsystems sowie die sprachliche Frühförderung, wird hingewiesen. Diese Resultate basieren auf der Bestandsaufnahme (S. 16) der Schweiz.
Es ist weitgehend anerkannt, dass Investitionen in qualitativ hochstehende Angebote der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung langfristige positive Auswirkungen auf die Gesundheit, die Armutsbekämpfung sowie die Chancengerechtigkeit im späteren Lebensverlauf haben. Insofern sind das Ziel 4 und das Unterziel 4.2 auch für die Umsetzung anderer SDGs von grosser Bedeutung: Bildung, insbesondere die, die im frühen Kindesalter ansetzt, hat einen verstärkenden Effekt auf die Armutsbekämpfung (SDG 1), auf die Gesundheitsförderung (SDG 3) sowie die Chancengerechtigkeit (SDG 10).
Auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen aus der ganzen Schweiz ist die Bedeutung dieses Unterziels anerkannt: Im Sommer 2018 hat das Schweizerische Nationalkomitee der Organisation Mondiale de l’Éducation Préscolaire (OMEP), OMEP Schweiz, eine Umfrage unter Nichtregierungsorganisationen (NGOs) im Bereich der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung zur Umsetzung des Unterziels 4.2 in der Schweiz durchgeführt. Sämtliche befragte Organisationen waren der Meinung, dass das Unterziel 4.2 von sehr grosser oder grosser Bedeutung ist.
In der Umfrage wurden die NGOs auch auf ihre eigene Rolle, ihre Wahrnehmung der aktiven Akteure in der Umsetzung des Unterziels 4.2 sowie identifizierte Herausforderungen analysiert. Übereinstimmend waren die Organisationen der Meinung, dass es insbesondere drei Handlungsfelder gibt:
- Finanzierung der Angebote der FBBE
- Qualität der Angebote der FBBE
- Nationale Koordination und Strategie
Die zivilgesellschaftliche "Plattform Agenda 2030" hat in ihrem Alternativbericht ebenfalls auf die geringen Ausgaben der öffentlichen Hand für die frühkindliche Bildung in der Schweiz hingewiesen und die hohen Elternbeiträge im Vergleich zu den Nachbarländern als „Hausaufgaben“ für die Schweiz identifiziert. Bund, Kantone und Gemeinden sollen ausreichend Mittel zur Verfügung stellen, „um einen qualitativ hochwertigen, gleichberechtigten und kostenlosen Zugang zu Bildung zu gewährleisten“. Dazu gehört gemäss dem NKS nicht nur der in fast allen Kantonen obligatorische Kindergartenbesuch, sondern auch Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebote in der frühen Kindheit.
Zivilgesellschaftliche Organisationen setzen sich weiterhin in ihrer täglichen Arbeit für gute Bedingungen und für Chancengerechtigkeit in der frühen Kindheit ein. Dafür braucht es aber auch öffentliche Anerkennung und eine angemessene Finanzierung. Die Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN haben der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung diese Legitimation international gegeben. Der erste Schweizer Länderbericht zur Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zeigt, dass sich auch der Bund den Herausforderungen bezüglich der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung bewusst ist. Nun müssen Taten folgen!
Der nächste Länderbericht steht 2022 an.
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