In den kantonalen Parlamenten sind in den vergangenen Monaten wieder zahlreiche Vorstösse rund um Familienpolitik, frühe Kindheit und Kinderbetreuung eingegangen. Zentrale Themen waren unter anderem die neuen Finanzhilfen des Bundes für familienergänzende Kinderbetreuung, die Ausgestaltung und Rahmenbedingungen für Kinderbetreuungsstrukturen und frühe Förderung. In unserem Beitrag finden Sie einen Überblick über Entwicklungen bei wichtigen Vorstösse aus den kantonalen Legislativen im Zeitraum Frühjahr bis Sommer 2018.
Finanzhilfen des Bundes für die familienergänzende Kinderbetreuung
Kanton Bern: Ein überparteiliches Komitee der GLP, FDP, Grüne, BDP und EVP fordern in einer Motion den Regierungsrat dazu auf, die "finanzielle Hebelwirkung" der Finanzhilfen des Bundes für die familienergänzende Kinderbetreuung als Standortvorteil für den Kanton zu nutzen. Der Bund stellt verschiedene Finanzhilfen im Bereich familienergänzende Kinderbetreuung zur Verfügung: zum Ausbau von Betreuungsplätzen, zur Senkung der Elternbeiträge für die Betreuung sowie für Projekte, welche die Betreuungsstrukturen besser auf die Bedürfnisse berufstätiger Eltern ausrichten. In seiner Antwort erklärte der Regierungsrat nun, von sich aus kein Gesuch um Bundes-Finanzhilfen einreichen zu wollen, da der Aufwand zu hoch sei. Das Berner Kantonsparlament sieht das anders: Es hat einer weiteren Motion mit dem Titel "Die Fördergelder des Bundes zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit sind vom Kanton Bern konsequent abzuholen" zugestimmt. Der Regierungsrat bereitet darum aktuell ein Gesuch um Finanzhilfen beim Bundesamt für Sozialversicherungen vor. Dafür sind Bedarfsabklärungen in den Gemeinden des Kantons notwendig.
Kanton Luzern: Vor rund einem Jahr reichte die GLP im Kanton Luzern das Postulat "Prüfung der Einreichung eines Gesuchs zur zusätzlichen finanziellen Unterstützung der Kinderbetreuung durch den Bund" ein. Die Regierung solle die Möglichkeiten für eine kantonale Gesuchseingabe für die Finanzhilfen des Bundes für familienergänzende Kinderbetreuung prüfen und mit den Gemeinden ihren Bedarf sowie Finanzierungsvorhaben klären. Zudem solle die Regierung Gemeinden, Schulen und private Betreuungsinstitutionen auf die Möglichkeit der Gesuchseingabe für Projekte zur besseren Abstimmung des familienergänzenden Betreuungsangebots auf die Bedürfnisse der Eltern hinweisen. Der Kantonsrat hat das Postulat im Mai 2018 angenommen.
Kanton Thurgau: Der ehemalige BDP-Kantonsrat (heute: SP) Alban Imeri erkundigte sich in einer einfachen Anfrage über die geplante Nutzung der neuen Finanzhilfen im Bereich der familienergänzenden Kinderbetreuung. Die Regierung lehnt die Beantragung der Finanzhilfen von Seiten des Kantons nun ab mit der Begründung, dass Subventionierungsfragen in diesem Bereich im Thurgau vollständig in die Zuständigkeit der Gemeinden fallen.
Ausgestaltung und Rahmenbedingungen der familienergänzenden Kinderbetreuung
Kanton Zug: FDP-Kantonsrätin Karen Umbach und Alternative-Die Grünen Kantonsrat Andreas Hürlimann haben eine Motion betreffend bedarfsgerechtes Angebot an familien- und schulergänzenden Betreuungsangeboten eingereicht. Darin fordern sie die Kantonsregierung auf, dem Kantonsrat eine Vorlage zu unterbreiten, wonach die Zuger Gemeinden für ein Angebot an familien- und schulergänzender Betreuung ab Ende des Mutterschaftsurlaubs bis Ende Primarschule sorgen sollen.
Kanton Basel-Landschaft: Die SP thematisiert in der Interpellation "Krippenpraktikant*innen als billige Arbeitskräfte" einmal mehr die Qualität in der familienergänzenden Kinderbetreuung. In der Beantwortung des Regierungsrats zeigt sich u.a., dass es keine genaue Kenntnis über die Anzahl und Dauer der Praktika gibt und dass keine Vorgaben betreffend Lohn und zu übernehmende Aufgaben für PraktikantInnen bestehen. Ebenfalls im Kanton Basel-Landschaft erkundigt sich eine Vertreterin der Grünen Partei, wie es um die Umsetzung des vor zwei Jahren in Kraft getretenen kantonalen Gesetzes über die familienergänzende Kinderbetreuung steht. Die Antwort der Regierung steht noch aus.
Schon im Januar forderte die SP im Kanton Basel-Landschaft in einer Motion die Schaffung der Möglichkeit für Gemeinden, ein selektives Spielgruppenobligatorium einzuführen. Die Motionäre begründen ihr Anliegen damit, dass die Spielgruppe sich als besonders niederschwelliges Angebot für die frühe Sprachförderung erwiesen hat. Erfahrungen aus anderen Kantonen zeigen, dass es sich lohnt, die Sprache möglichst früh und nicht erst mit Eintritt in den Kindergarten zu fördern. Der Regierungsrat unterstütze diese Motion. Im Mai wurde sie nun auch vom Kantonsparlament deutlich mit 52 zu 23 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen.
Kanton-Graubünden: Die CVP im Grossen Rat Graubünden reichte schon Ende 2017 eine Anfrage betreffend die Prüfung der Rechtsstellung von kinderbetreuenden "Spielgruppen" im Kanton Graubünden ein. Sie erkundigt sich darin, ob und aus welchen Gründen die Bündner Spielgruppen-Angebote heute keiner kantonalen Aufsicht unterstehen und weder melde- noch bewilligungspflichtig sind. Sie fragt zudem nach der Bereitschaft der Kantonsregierung, künftig eine Bewilligungspflicht für Spielgruppen einzuführen, damit gewisse Qualitätsanforderungen und Aufsichtsbestimmungen erfüllt sind. In ihrer Antwort betont die Regierung die Niederschwelligkeit von Spielgruppen, die oft in Selbstorganisation aufgebaut und geführt werden. Solange Spielgruppen nicht ein ähnlich ausgebautes Kinderbetreuungsangebot wie Kitas und Tagesfamilien bereitstellen, unterstehen sie keiner Bewilligungspflicht und sind auch sonst kaum reguliert. Die Regierung zeigt sich aber bereit, die Kriterien für die Bewilligungspflicht in den nächsten zwei Jahren zu überprüfen.
Kanton Basel-Stadt: Die Basel-städtische Kantonsregierung möchte das noch aus dem Jahr 2003 stammende Gesetz betreffend Tagesbetreuung von Kindern (Tagesbetreuungsgesetz, TBG) totalrevidieren. Sie hat dem Parlament Ende Mai einen entsprechenden "Ratschlag" und Bericht unterbreitet. Darin nimmt die Regierung auch zu verschiedenen parlamentarischen Vorstössen rund um die Ausgestaltung und Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung Stellung. Mit der Totalrevision sollen die Eltern, die für ihre Kinder Tagesbetreuung in Anspruch nehmen, finanziell gleichbehandelt und entlastet werden. Die Eltern sollen zudem mehr Wahlfreiheit erhalten: Sie können sich an einem von ihnen gewünschten Ort einen Betreuungsplatz suchen oder aber sich von der kantonalen Beratungs- und Vermittlungsstelle bei der Suche unterstützen lassen.
Im Kanton Basel-Stadt wurde des Weiteren überparteilich ein Anzug (entspricht dem "Postulat" in anderen Parlamenten) betreffend Reduktion der Mindestbelegung bei Angeboten der familienergänzenden Tagesbetreuung eingereicht, der den "Zwang zur Mindestbelegung" in Betreuungsstrukturen in Frage stellt. Heute müssen Eltern ihre Kinder an einem vorgeschriebenen Minimum von Tagen (z.B. 1,5 bis 2 Tage pro Woche) in der Institution betreuen lassen. Betreuungskapazitäten sollen so angesichts des knappen Angebots optimaler genutzt werden. Ein weiterer überparteilich eingereichter Anzug betreffend flächendeckendes Angebot an Tagesstrukturen fordert zudem, Angebotslücken in den Tagesstrukturen im Vorschul- und Schulbereich zu schliessen.
Die SP fragt im Kanton Basel-Stadt zudem in einer schriftlichen Anfrage nach der Qualität und Benutzerfreundlichkeit der Tagesstrukturen. Der Regierungsrat weist in seiner Antwort darauf hin, dass vor rund zehn Jahren im Kanton Basel-Stadt Tagesstrukturen eingeführt wurden und in der Verfassung des Kantons festgehalten sei, dass Eltern das Recht auf eine familienergänzende Tagesbetreuungsmöglichkeit für ihr Kind haben. Ergänzend zur Verordnung über die Tagesstrukturen erliess die Volksschulleitung im Jahr 2015 Richtlinien, welche unter anderem der Qualitätssicherung der Tagesstrukturangebote dienen. Die Verordnung für die Schulleitungen der Volksschule Basel-Stadt wurde zudem in dem Sinne angepasst, dass jede Schule im Rahmen ihres Schulprogramms ein pädagogisches Konzept zu den Tagesstrukturen erarbeiten muss.
Kanton Zürich: Nachdem das Projekt "Tagesschule 2025" in der Bevölkerung der Stadt Zürich grossen Anklang findet, fordern GLP-ParlamentarierInnen mit dem Postulat "Tagesschulen im Kanton Zürich – Unterstützung für Pilotprojekte" den Kanton auf, mit freiwillig partizipierenden Gemeinden im gesamten Kanton Tagesschule-Pilotprojekte zu starten und mitzufinanzieren. Der Regierungsrat nahm dazu Anfang September Stellung: Die Gemeinden entscheiden im Rahmen der rechtlichen Vorgaben in eigener Kompetenz über den Ausbau von Tagesschulen. Betreffend die Finanzierung besteht zudem keine kantonale gesetzliche Grundlage. Jedoch können Gemeinden, Kantone oder einzelne Anbieter im Rahmen der Bundes-Finanzhilfen für Projekte zur besseren Abstimmung des familienergänzenden Betreuungsangebotes auf die Bedürfnisse der Eltern Gelder beantragen – beispielsweise für Tagesschulen. Der Kanton unterstützt die Einführung von Tagesschulen in den Gemeinden zudem mit verschiedenen Informations- und Beratungsangeboten. Die Kantonsregierung hält damit die Anliegen des GLP-Postulats für erfüllt.
Kanton Bern: Grossratsmitglieder der Grünen haben die Motion "Familienergänzende Kinderbetreuung im Kanton Bern bedarfsgerecht ausbauen!" im März eingereicht. In seiner Antwort von Ende August weist der Regierungsrat darauf hin, dass aktuell im Kanton rund 9'700 Kinder an 2,5 Tagen pro Woche von einem subventionierten Kita-Platz bzw. Stunden bei Tagesfamilien profitieren. Dennoch würden nicht genügend Familien von subventionierten Betreuungsplätzen im Vorschulbereich profitieren. Die Regierung hofft, dass sich dies mit der geplanten Einführung von Betreuungsgutscheinen, die auch vom Kanton finanziert werden, ändert: Mit den Betreuungsgutscheinen sollen auch Anreize für die Gemeinden gesetzt werden, ihr Betreuungsangebot bedarfsgerecht auszubauen. Die Qualität der bernischen Kitas sieht die Regierung durch das Bewilligungs- und Aufsichtsverfahren sichergestellt. Die Regierung ist aber bereit zu prüfen, inwiefern die Weiterbildung und Begleitung von Betreuungspersonen in Kitas unterstützt und verbessert werden kann.
Frühe Förderung
Kanton Luzern: Die Luzerner GLP-Kantonsrätin Claudia Huser-Barmettler hatte Anfang Jahr eine Anfrage betreffend die Nutzung von Angeboten der Kinderbetreuung und frühen Förderung durch Kinder mit Asyl- und Flüchtlingsstatus an die Kantonsregierung gerichtet. Darin fragt sie unter anderem, wie die Regierung den Nutzen von Massnahmen der Kinderbetreuung und frühen Förderung für diese Kinder sieht. In seiner Antwort anerkennt der Regierungsrat die zentrale Bedeutung der frühen Kindheit für die gesamte Entwicklung jedes Menschen sowie für die Bereiche Integration, Armutsprävention, Schaffung von Bildungsgerechtigkeit und Chancengerechtigkeit.
Kanton Bern: Im Kanton Bern hat die SP-Grossrätin Christine Blum das Postulat "Früherziehung als sonderpädagogische Massnahme und frühe Förderung sollen in die Erziehungsdirektion überführt werden" eingereicht. Sie möchte wissen, ob der Bereich Frühe Förderung und insbesondere die heilpädagogische Früherziehung von der heute zuständigen Gesundheits- und Fürsorgedirektion in die Erziehungsdirektion überführt werden könnte. Sie begründet ihr Anliegen damit, dass die Abgleichung und Harmonisierung von spezifischen Massnahmen der Frühen Förderung mit dem Kindergarten- und Schuleintritt wichtige Voraussetzungen für die optimale Entwicklung betroffener Kinder sind. Es wäre zudem ein wichtiger Schritt zur Eingliederung der Angebote für Kinder mit Beeinträchtigung in den Regelbereich. Der Regierungsrat hat das Postulat angenommen und plant, die Zuständigkeiten für Angebote und Massnahmen der Frühen Förderung zu überprüfen.
Kanton Basel-Landschaft: Die CVP/BDP Fraktion erkundigt sich in der Interpellation "Bildung stärken: Frühe Förderung der Landessprache" nach der Entwicklung und den Kosten der "Deutsch als Zweitsprache" (DaZ) Lektionen. Der Regierungsrat erklärte in seiner Antwort, dass der Kanton aktuell im Rahmen der kantonalen Integrationsprogramme das Angebot "Deutsch in Spielgruppen" mitfinanziert. Des Weiteren würden kleine Kinder mit geringen Deutschkenntnissen aber auch generell von Angeboten der Frühen Förderung oder familienergänzenden Kinderbetreuung profitieren. Es bestehe aber keine gesetzliche Grundlage, um Eltern dazu zu verpflichten, dass ihr Kind ein solches Angebot untersucht. Die CVP/BDP Fraktion reichte zudem eine gleichlautende Motion "Bildung stärken: Frühe Förderung der Landessprache" ein, die eine ebensolche gesetzliche Grundlage fordert: Die Gemeinden sollen künftig Kinder mit unzureichenden Deutschkenntnissen verpflichten können, vor dem obligatorischen Schuleintrittsalter ein Angebot der frühen Sprachförderung zu besuchen. Regierungsrat und Parlament möchten die Situation zuerst genauer abklären und haben die Motion darum in ein Postulat umgewandelt.
Finanzielle Entlastung von Familien
Kanton Basel-Landschaft: Die BDP hat das Postulat "Moderne Familienpolitik: Einführung der Individualbesteuerung und höhere Kinderzulagen" eingereicht. In seiner Antwort weist der Regierungsrat darauf hin, dass sich bei diesem Anliegen ein grundsätzliches Problem stellt: Eine Individualbesteuerung ist im schweizerischen Steuersystem zurzeit nicht vorgesehen. Aufgrund der klaren bundesrechtlichen Vorgaben können die Kantone eine Individualbesteuerung nicht einfach autonom einführen. Neben der Individualbesteuerung fordern die Postulanten auch, zu prüfen, wie Erziehungsberechtigte durch höhere steuerliche Abzüge (Kindererziehung) und/oder höhere Kinderzulagen unterstützt werden können. Die Kantonsregierung informiert in ihrer Antwort, dass sie diesen Punkt im Rahmen der bevorstehenden kantonalen Steuerreform einbeziehen will.