Teilzeiterwerbstätigkeit in der Schweiz
In der Schweiz gehen 84.2% der Bevölkerung einer Erwerbstätigkeit nach. Wie die Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen, nimmt die Bedeutung der Teilzeitarbeit seit einigen Jahren zu. Mehr als ein Drittel der Erwerbstätigen in der Schweiz arbeitet in einem Teilzeit Pensum. Davon sind 74% weiblich - dies zeigt, dass hauptsächlich Frauen einem Teilzeiterwerb nachgehen.
Dass damit viel Potential für die Wirtschaft ungenutzt bleibt, beleuchtete bereits ein OECD Länderreport vor einigen Jahren. Als Ursache der häufigeren Teilzeitarbeit nannte die OECD einerseits die hohen Kosten für die ausserfamiliäre Kinderbetreuung und andererseits die negativen Erwerbsanreize für Zweitverdiener. Oftmals bleiben Frauen, insbesondere sobald sie Mutter sind, aus steuerlichen Gründen vom Arbeitsmarkt fern oder entscheiden sich für ein tieferes Pensum. Um die Rolle der Frauen in der Volkswirtschaft zu stärken, schlug die OECD in ihrem Report vor, bessere Möglichkeiten für die Inklusion der Frauen in den Arbeitsmarkt zu schaffen und eine Individualbesteuerung einzuführen.
Diskussionen um ein neues Steuersystem
In der Schweiz wird seit geraumer Zeit verschiedentlich über ein faires und zukunftsfähiges Steuersystem diskutiert. Im Frühling 2018 hat der Bundesrat die Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (Ausgewogene Paar und Familienbesteuerung) verabschiedet. Das vorgeschlagene Modell sieht vor, dass Ehepaare für die Steuerberechnung sowohl gemeinsam wie auch individuell eingeschätzt würden und schliesslich der günstigere Tarif gezahlt werden müsste.
Das vom Bundesrat vorgeschlagene Modell wird jedoch kritisch hinterfragt. Zur genaueren Untersuchung der Auswirkungen verschiedener Steuersysteme haben daher die Müller-Möhl Foundation in Zusammenarbeit mit Alliance F eine Studie beim Forschungs- und Beratungsunternehmen Ecoplan in Auftrag gegeben. In der Studie, die Ende April 2019 veröffentlicht wurde, werden verschiedene Steuersysteme und deren Auswirkungen genauer untersucht. Im Fokus stehen neben dem Status quo (gemeinsame Veranlagung von Ehepartnern und individuelle Veranlagung von Konkubinatspaaren) das vorgeschlagene Modell des Bundesrats, eine reine Individualbesteuerung sowie eine modifizierte Individualbesteuerung (die im Gegensatz zur reinen Individualbesteuerung einen Elterntarif für Paare mit Kindern vorsieht).
Resultate der Studie von Ecoplan
Ecoplan untersucht in ihrer wissenschaftlichen Studie mit Hilfe von Modellrechnungen die Auswirkungen auf eine Individualbesteuerung und die Erwerbsanreize der ZweitverdienerInnen. Bei den Berechnungen zeigt sich, dass der Vorschlag des Bundesrats hauptsächlich die Situation von Ehepaaren verbessert, unabhängig davon, ob sie Kinder haben oder nicht, und dass die Steuerlast für Konkubinate mit Kinder und für Alleinerziehende höher ausfallen würde. Das System einer modifizierten Individualbesteuerung würde im Gegensatz zu einer Gleichstellung von verheirateten Personen und Konkubinatspaaren führen.
Die Ausgestaltung des Fiskalsystems hat immer Auswirkungen darauf, wie die Anreize und die Bereitschaft ist, am Arbeitsmarkt teilzunehmen. Wie die Berechnungen zeigen, würden die Einführung einer modifizierten Individualbesteuerung zu einem positiven Effekt bei der Beschäftigung – gerade bei den Frauen – führen. So wird geschätzt, dass sich die Anzahl der Beschäftigten mit der modifizierten Individualbesteuerung um 19'000 Vollzeitstellen erhöhen würde.
Basierend auf den Ergebnissen der Studie von Ecoplan fordern die Müller-Möhl Foundation, Angestelltenverbände und Frauenorganisationen die Politik nun auf, eine solche Individualbesteuerung zu prüfen und sehen das Modell einer modifizierten Individualbesteuerung als mögliche, umsetzbare Variante.
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