Nach dem Ständerat hat sich nun auch der Nationalrat für den Gegenentwurf zu einem zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub ausgesprochen. Die ursprüngliche Volksinitiative "Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub" sieht einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub vor. Doch vermehrt rückt auch ein gemeinsamer Elternurlaub respektive die Elternzeit in den Fokus verschiedener Akteure.
In der Debatte des Nationalrats am 11. September 2019 wurden verschiedene Modelle des Vaterschafts- und Elternurlaubs diskutiert. Zum einen stand ein Vaterschaftsurlaub von zwei resp. vier Wochen zur Diskussion. Dieser könnte innerhalb von sechs Monaten nach Geburt des Kindes bezogen werden. Alternativ wurde eine Elternzeit zwischen 28 und 52 Wochen diskutiert, welche zwischen beiden Elternteilen aufgeteilt werden kann. Im Nationalrat setzte sich schliesslich wie bereits im Ständerat der indirekte Gegenentwurf zur Vaterschaftsurlaubs-Initiative durch, der einen zwei Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub vorsieht. Der zweiwöchige Vaterschaftsurlaub verursacht geschätzte Kosten von 229 Millionen Franken, die je hälftig zu 0.06 zusätzlichen Lohnprozehnten durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen werden. Der vierwöchige Vaterschaftsurlaub (Volksinitiative) fand sowohl im Stände- als auch im Nationalrat keine Mehrheit. Sollte das Initiativkomitee seinen Vorschlag zurückziehen, würde einer gesetzlichen Umsetzung des zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs nichts mehr im Wege stehen.
Viele Voten im Nationalrat führten an, dass der Vaterschaftsurlaub bereits veraltet sei. Durch eine Elternzeit, d.h. einen Urlaub den sich die Eltern teilen können oder zu gleichen Teilen zur Verfügung steht, würden Frauen und Väter beim Geburtsurlaub gleichgestellt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert. Wie auch bereits vom Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz gefordert, sind solche besseren Rahmenbedingungen für Eltern erwünscht. Nebst der besseren Betreuung der Kinder, erhofft man sich, dass Mütter vermehrt in die Erwerbsarbeit zurückkehren, höhere Stellenprozente anstreben und Väter vermehrt Verantwortung in der Familie übernehmen. Ausserdem ist eine Besserstellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu erwarten, da Frauen bei Anstellungs- und Beförderungsentscheiden nicht mehr einseitig benachteiligt werden. So würde Müttern und Vätern, unabhängig des Geschlechts, bei Geburt eines Kindes der Elternurlaub zustehen. Zur Diskussion standen verschiedene Formen des Elternurlaubs die jeweils hälftig oder in anderen Aufteilungen bezogen werden können und insgesamt zwischen 28 und 52 Wochen Elternzeit umfassen.
Laut Bundesamt für Sozialversicherungen hätten die unterschiedlichen Vorschläge für eine Elternzeit Mehrkosten von 1.6 Milliarden (28 Wochen Elternzeit) bis 3.8 Milliarden (52 Wochen Elternzeit) zur Folge. Entsprechende Anträge im Nationalrat zur Einführung eines Elternurlaubs scheiterten, für eine mittlere Variante einer 38-wöchigen Elternzeit stimmten 50 ParlamentarierInnen, für die längste Variante einer 52-wöchigen Elternzeit gar nur 15 ParlamentarierInnen. Der Bundesrat selbst spricht sich gegen einen Vaterschafts- und Elternurlaub aus, da er die Wirtschaft nicht mit zusätzlichen Abgaben belasten möchte. Er hält damit am Status quo fest. Priorität haben für die Landesregierung der Ausbau der familien- und schulergänzenden Betreuungsangebote sowie ein Betreuungsurlaub für Eltern von schwerkranken Kindern.
Parallel zu den Verhandlungen in den Räten haben zwei Gruppen ihr Interesse an einer Initiative angemeldet: Public Beta und WeCollect kündigten gemeinsam die Absicht an, eine Elternzeit-Initiative anzustossen. In diesem Modell sind je 15 Wochen Elternzeit für Mütter und Väter vorgesehen. Die Initianten sehen dazu die Bildung einer breiten zivilgesellschaftlichen Allianz vor. Nach Vorstellungen der SP ist eine Initiative mit 38 Wochen Elternzeit angedacht, von denen je 14 Wochen Frau und Mann zustehen und 10 Wochen aufgeteilt werden können.
Im Zusammenhang mit den beiden angedachten Elternzeit-Initiativen und der Annahme des Gegenentwurfs zum zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub im Nationalrat ist laut Komitee der Vaterschaftsurlaubinitiative auch ein Rückzug ihrer Initiative denkbar. So möchte man das Risiko vermeiden, dass durch eine mögliche Niederlage der vierwöchigen Vaterschaftsinitiative eine Einführung des Elternurlaubs gefährdet wird. Bis dato (12. September 2019) haben sich die Initiatoren des Vaterschaftsurlaubs noch nicht zum weiteren Vorgehen geäussert.
Das Thema Elternzeit wird aber auch weiterhin auf der politischen Agenda bleiben, da nebst den angedachten Volksinitiativen noch weitere Vorstösse (u.a. Motion Müller) hängig sind.
Initiative:
Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub
Gegenentwurf:
Indirekter Gegenentwurf zur Vaterschaftsurlaub-Initiative
Ankündigungen:
Volksinitiative für eine Elternzeit
Elternurlaub-Initiative der SP
Presseberichte:
SDA-Meldung zum Nationalratsentscheid, 11.09.2019
Kommentar Aargauer Zeitung, 11.09.2019
Neue Zürcher Zeitung, 11.09.2019
St. Galler Tagblatt, 11.09.2019
Bund, 08.09.2019
Sonntagszeitung (Elternzeit fegt Vaterschaftsurlaub weg), 08.09.2019
Tages-Anzeiger (Wettstreit der Elternzeit-Initiativen), 03.09.2019
Aargauer Zeitung, 30.08.2019