Das Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz ist Geschichte

Am 9. Dezember 2020 hat die ausserordentliche Mitgliederversammlung des Netzwerks Kinderbetreuung Schweiz, die Auflösung des Vereins beschlossen. Was wie ein Ende erscheint, ist aber, wie es jemand an der Versammlung gesagt hat, vielmehr eine Transformation. Das Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz hat sich aufgelöst zu Gunsten von «Alliance Enfance», die im August gegründet worden ist und die in vielen Bereichen die Arbeit des Netzwerks fortsetzen wird, gesamtschweizerisch, breiter abgestützt und vor allem mit einem stärkeren politischen Akzent.

Damit endet trotzdem eine Geschichte, die fast 15 Jahre gedauert hat, in denen ein kleiner Verein, mit nicht gerade üppigen Mitteln Bemerkenswertes erreicht hat. Man kann es statistisch fassen und kann die Veranstaltungen, runden Tische und Workshops, die durchgeführt wurden, zählen, die Dossiers und Publikationen, die entstanden sind, die politischen Stellungnahmen, die verfasst wurden, die Informationen, die über Website, Social Media und Newsletter verbreitet wurden. Schon diese Aufstellung ist beachtlich. Nur sagt sie noch wenig über die Wirkung aus. Wirkung lässt sich auch nicht so einfach beschreiben, vielleicht eher anhand von ein paar Geschichten veranschaulichen.

Die Geschichte des Netzwerks Kinderbetreuung Schweiz hat bereits vor dessen Gründung mit einem informellen runden Tisch zur Qualität in der Kinderbetreuung begonnen. Zwei Merkmale, die das Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz bis zum Schluss prägten, wurden bereits vor dem «richtigen» Anfang offenbar.

Zum einen ist es das Engagement für Qualität. Die «Charta zur Qualität in der schul- und familienergänzenden Kinderbetreuung» ist aus diesem informellen runden Tisch hervorgegangen und ist bis zum Schluss eine wichtige Referenz für das Netzwerk und seine Mitglieder geblieben. Wer sie heute liest, hat ein topaktuelles Papier vor sich. Der Ruf nach Qualität in allen Angeboten der Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern ist heute genauso wichtig, wie damals, zum Glück ist er aber viel lauter geworden.

Dazu hat ein zweites Merkmal beigetragen, welche das Netzwerk ausgezeichnet hat: Es hat immer auch Organisationen und Akteure vernetzt. Man ist dabei nicht nur ins Gespräch gekommen, sondern daraus sind auch gemeinsame Projekte und langjährige Zusammenarbeiten entstanden. Mittlerweile ist die Bildung von Partnerschaften und das Schmieden von Allianzen zu einer gemeinsamen Kultur geworden.

Vernetzung heisst immer auch Informationsaustausch. Das Netzwerk hat bereits früh begonnen, weitergehende Informationen für die Mitglieder, aber auch für interessierte Aussenstehende zu sammeln und zu verbreiten. Mit einem systematischen Monitoring und einer stetig wachsenden Informationsplattform, die über die Website, Social Media oder Newsletters betrieben wurde, hat das Netzwerk eine einzigartige Dienstleistung geschaffen. Viele Informationen wurden von der jeweiligen Geschäftsstelle zusätzlich verarbeitet, was sich in vielen Dossiers, Stellungnahmen und Papieren nachlesen lässt.

Man kann das «Leben» des Netzwerks in zwei Abschnitte teilen, einen pädagogischen und einen politischen. Während in den ersten Jahren die Frage im Zentrum stand, wie Qualität in der Kinderbetreuung und in weiteren Bildungs- und Betreuungsangeboten für Kinder konkret aussieht und umgesetzt werden kann, rückte im zweiten Teil die Frage ins Zentrum, welche Rahmenbedingungen und gesetzliche Grundlagen zu schaffen sind, damit Qualität, wie sie aus der Sicht der Entwicklung der Kinder notwendig ist, überhaupt realisierbar wird. Natürlich beschäftigte sich das Netzwerk in den ersten Jahren bereits auch mit politischen Fragen und blieb bis zum Schluss auch offen für pädagogische Fragen.

Der wichtigste Meilenstein in der Geschichte des Netzwerks war sicher der Orientierungsrahmen, der im Jahr 2012 zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Er hat sich viel rascher und weiter verbreitet, als wir uns das erträumt hätten. Unzählige pädagogische Konzepte stützen sich heute auf den Orientierungsrahmen und bekennen sich so zu einem Bild des Kindes, das von den Entwicklungsbedürfnissen der einzelnen Kinder ausgeht. Der Orientierungsrahmen war eine wichtige Innovation für die Schweiz, das als einziges Land weit und breit keine verbindlichen pädagogischen Vorgaben für Angebote der Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern kennt.

Der Orientierungsrahmen steht für ein weiteres Merkmal, welches das Netzwerk geprägt hat: Viele Projekte lebten von der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Partnern. Ohne die enge Zusammenarbeit mit der Schweizerischen UNESCO-Kommission und dem Marie Meierhofer Institut für das Kind, wäre der Orientierungsrahmen nicht entstanden. So nebenbei hat der Orientierungsrahmen einen weiteren Effekt gehabt. Der grosse Einsatz, welche die beiden Herausgeberorganisationen für die Finanzierung leisten mussten, hat auch dazu geführt, dass sich namhafte Stiftungen überhaupt mit dem Thema frühkindliche Bildung zu befassen begannen, für das sie sich, auch zum Glück des Netzwerks, danach über viele Jahre grosszügig engagierten.

Zum Orientierungsrahmen gehörte von Anfang auch der Appell mit gesellschaftlichen und politischen Forderungen. Er steht auch symbolisch für den Start in die zweite Phase, in der die Auseinandersetzung mit den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen immer wesentlicher wurden. Eine Phase, in dem die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Organisationen ausgeweitet wurde. Es ist wohl nicht vermessen zu behaupten, dass die stetige Vernetzung und die vielen Partnerschaften, die das Netzwerk gepflegt hat, die Gründung einer gesamtschweizerischen Allianz, die sich für ein gesundes Aufwachsen aller Kinder in der Schweiz einsetzt, wesentlich erleichtert hat.

Wir haben uns entschieden das Netzwerk aufzulösen und haben dies aber mit vier Anforderungen an die «Alliance Enfance» verknüpft: Die neue Allianz soll sich schwergewichtig für Qualität einsetzen, sie soll sich auch mit der Qualität der schulergänzenden Betreuung befassen, sie soll die ganze Breite der Akteure in den Anliegen der Kindheit umfassen, und dies auch im Vorstand abbilden. Alle vier Anforderungen erfüllt die «Alliance Enfance».

Die Wirkung, welche das Netzwerk erreichen konnte, war immer eine Gemeinschaftsarbeit von hoch engagierten Menschen mit viel Feuer für die Sache. Zu erwähnen sind speziell die Geschäftsstellen von mcw, Miriam Wetter und ihr Team und von polsan, Reto Wiesli und sein Team, weiter der über all die Jahre sehr stabile Vorstand und die Mitglieder des Vereins, welche die Arbeit gottseidank kritisch, aber immer mit viel Wohlwollen und Anerkennung mitgetragen haben. Und schliesslich gebührt der Dank auch allen Geldgebern, die mit den beträchtlichen Mitteln nicht nur unsere Arbeit erst möglich machten, sondern uns damit auch grosses Vertrauen schenkten.

Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist. Ich glaube, wir haben diesen Moment nicht ganz verpasst. Und dass es ein Ende mit Perspektive ist, macht die Trauer über den Abschied sehr erträglich.

Wir danken Ihnen für Ihr Engagement für eine Politik der frühen Kindheit und wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute!

Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz
Thomas Jaun
Präsident